Das Gesicht von Regens Wagner Absberg – die Geschichte eines „Werdens“
Es ist immer gut, Johann Wolfgang von Goethe an den Anfang eines Vorworts zu stellen, in diesem Fall im wahrsten Sinne des Wortes.
Geschrieben steht: "Im Anfang war das Wort!"
Hier stock' ich schon! Wer hilft mir weiter fort? . . .
Mir hilft der Geist! Auf einmal seh' ich Rat
Und schreibe getrost: Im Anfang war die Tat!
Ganz im Faustischen Sinn war dies auch der Beginn der Geschichte, die wir zusammen mit dem Medienkünstler Wolf Nkole Helze zu erzählen begannen. Am Anfang war eigentlich zunächst nichts, nein doch, die Idee! Und dann war das Wort und mit ihm die Tat.
Die Idee, die sich in dem Wort „Gesicht“ ausdrückt, wird zur Tat, indem ein Gesicht, das Gesicht von Regens Wagner Absberg, entsteht. Nicht das Gesicht eines Individuums, vielmehr „unser Gesicht“! Ein Gesicht, das im Wir verweilt und die Individualität zu einem Ganzen verdichtet. Neben der Idee waren also die Menschen präsent, die in einem Prozess zu einem universellen Gesicht werden. Ein Spannungsbogen vom Individuellem zum Universellem, vom einzelnen Menschen zum Homo universale. Die persönliche Nähe, die persönliche Begegnung in einem Augenblick, fotografisch festgehalten und ganz individuell, sind der der Ausgangspunkt dieses Spannungsbogens. In mehr als 700 Hundert unterschiedlichen individuellen Portraits, geprägt von Kennenlernen, Neugierde, Scheu, Zugewandtheit, Respekt, Achtsamkeit und Wahrgenommen-werden, entstanden ausdrucksstarke Bilder, die den Moment der Begegnung sichtbar machen. Mit jeder neuen fotografischen Begegnung erweitert sich das individuelle Spektrum und lässt ein „WIR“ entstehen. Es war faszinierend zu sehen, wie sich eine Vielzahl von Personen vor den hunderten Fotografien damit auseinandersetzten, sich und den anderen zu finden, und versuchten sich vorzustellen, wie sie Teil des Gesichts von Regens Wagner Absberg werden. Wird es dem gleichsehen aus Japan, Indonesien oder dem von der Schwäbischen Alb?
Der Prozess mit der ständig anwachsenden Zahl der Portraits war angestoßen, sich als Teil einer Gemeinschaft zu erfahren und zu spüren und die Neugierde auf das Ergebnis von bekannten und unbekannten Gesichtern, verschmolzen zu einem Gesicht, wuchs mit jedem Tag, mit dem die feierliche Präsentation näher rückte.
Im Gesicht von Regens Wagner Absberg kommt also der flüchtige Moment der unterschiedlichen Begegnungen, die Chronologie der einzelnen Portraits und die Transformation zu einem Gesicht, das alle Momente in sich vereint, zum Ausdruck.
Es entstand ein Gesicht, das uns als Menschen universell anspricht, das sich ohne Erklärung an den Betrachter wendet, das in Dialog mit ihm tritt und das das Individuelle in das Universelle transformiert.
Der Einzelne wurde somit zum Teil eines Kunstwerks und hat gleichzeitig Anteil daran.
Es ist ein Kunstwerk, das aus der Transparenz heraus seine Strahlkraft entwickelt und jeden Betrachter dazu anregt, sich mit anderen darüber auszutauschen, wie es geschehen kann, dass trotz aller äußeren individuellen Unterschiede ein Gesicht entsteht, das nahe zu mystisch das „Mensch-sein“ im Göttlichen zum Ausdruck bringt.
Die Emergenz dieses Menschseins zu ermöglichen, bedarf es des Künstlers, den wir in Wolf Nkole Helze erleben durften. Er verstand es, den Augenblick der Begegnung zu etwas Besonderem werden zu lassen, indem er den Dialog als Mensch zu jedem einzelnen Menschen in jeder Begegnung entstehen ließ. Es ist ein Dialog, der weitergeführt wird, sich auch in diesem Katalog ausdrückt und über den Moment der Begegnung hinaus geht.
Wolf gelingt es, in seinem künstlerischen Schaffen einen Prozess anzuregen, der weit mehr ist als die Betrachtung.
Ein besonderer Dank sei daher an ihn gerichtet, dass er uns an diesem künstlerischen Prozess teilhaben ließ, der uns über die Idee, das Wort und die Tat zum Erleben eines ständigen Werdens geführt hat.
Dr. Hubert Soyer, Gesamtleitung Regens Wagner Absberg